Kieselalge Skeletonema marinoi – Das uralte Gedächtnis der Algen – Ihre Wiederkehr aus der Tiefe: Vor rund 7000 Jahren sank sie zu Boden – klein, stumm, unsichtbar jetzt ist sie wieder da
Die Kieselalge Skeletonema marinoi wurde nach 7000 Jahren im Ostseeschlamm wiedererweckt. Entdecke ihre Geschichte und andere uralte Überlebenskünstler. Zufällig habe ich darüber in der Zeitung gelesen und weiter dazu recherchiert weil ich die Geschichte faszinierend fand.
Die Kieselalge Skeletonema marinoi legte sich zur Ruhe, bedeckt vom feinen Sediment der Ostsee. Dort ruhte sie im Dunkeln, eingehüllt in Zeit und Schweigen. Kein Licht, kein Sauerstoff. Und doch: nicht tot. Nur wartend.
🜁 Die Hexe vom Grund – Die Rückkehr von der Kieselalge Skeletonema marinoi
Man sagt, dort unten, wo kein Licht mehr lebt, wo selbst die Fische schweigen, wohnt eine alte Hexe.
Sie lebt im Bodenschlamm der Ostsee – dort, wo sich Zeit in feine Schichten legt. Die Hexenfinger sind aus Tang, ihre Augen wie leere Muschelschalen. Sie schläft nicht. Sie wartet.Manchmal, wenn ein Forscherboot über sie hinwegzieht, erhebt sie sich langsam. Nicht sichtbar, nicht spürbar – nur ein Hauch in der Strömung. Und mit ihren knochigen Algenhänden tastet sie nach dem, was einst lebte.
So fand sie die kleine Kieselalge Skeletonema marinoi.
Winzig, stumm – und doch voll Erinnerung. Sie hatte vor siebentausend Jahren ihren letzten Lichtstrahl gesehen. Dann war sie gefallen, auf den Grund, und hatte geschlafen. In einem Kokon aus Sediment, im Schoß der Hexe.Doch die Hexe weiß: Es gibt Zeiten für das Warten – und Zeiten für das Erwachen.
Mit salziger Magie und dem Wispern von alten Strömungen ließ sie das Licht zurückkehren. Nicht unter Wasser – sondern im Labor, im Glas. Hände, die keine Zauber kennen, nur Wissenschaft – und doch geschah es:
Die Alge erwachte.
Sie teilte sich. Sie lebte.Und wer weiß: Vielleicht war es die Hexe.
Vielleicht war es auch nur das Leben selbst, das niemals ganz vergeht. Oder es war ganz anders: 😉
War es wirklich die Hexe vom Grund, die ihre schlafende Kieselalge Skeletonema marinoi weckte? Oder doch eher ein Forscherteam mit Reagenzglas, Pinzette und Neugier?
Was nach Märchen klingt, ist zugleich ein biologisches Wunder: Eine Kieselalge namens Skeletonema marinoi, vor rund 7000 Jahren in den Tiefen der Ostsee versunken, wurde im Labor wieder zum Leben erweckt. Ohne Licht, ohne Sauerstoff, hatte sie all die Jahrtausende in einem sogenannten Dauerstadium im Sediment überlebt – wie in einer Zeitkapsel.
Was es mit diesen uralten Überlebensstrategien auf sich hat, wie Forscher solche Sedimente aufspüren und warum diese Wiedererweckung kein Einzelfall ist – das erfährst du im Folgenden.
Das uralte Leben unter unseren Füßen – Kieselalge Skeletonema marinoi
In den Tiefen des Meeresbodens, wo sich Jahrtausende an Erdgeschichte Schicht für Schicht ablagern, liegt ein stilles Archiv. Hier, im anoxischen Sediment – also unter Ausschluss von Sauerstoff – überleben winzige Lebewesen in einem Zustand, der uns an Märchen erinnert: dem sogenannten Dauerstadium.
Skeletonema marinoi, eine Kieselalge, ist nicht einfach nur ein unscheinbarer Mikroorganismus. Sie ist eine Zeitreisende. Forscher fanden ihre Zellen in Sedimentschichten, die auf ein Alter von etwa 7000 Jahren datiert wurden. Und sie wagten das Unmögliche: Sie weckten die Algenzellen wieder auf. Und es funktionierte.
Wie ist das möglich?
Die Fähigkeit, über Jahrtausende in einem inaktiven Zustand zu überleben, nennt man Kryptobiose – wörtlich „verborgenes Leben“. Dabei reduzieren Lebewesen ihren Stoffwechsel auf ein Minimum. Manche trocknen fast vollständig aus, andere überstehen extreme Temperaturen, Druckverhältnisse oder – wie im Fall von Skeletonema – Jahrtausende im Dunkeln.
Solche Überlebensstrategien findet man vor allem bei:
- Bärtierchen (Tardigraden), die eingefroren oder ausgetrocknet überleben – über Jahrzehnte hinweg.
- Fadenwürmern (z. B. aus sibirischem Permafrost), die nach 30.000 Jahren wiederbelebt wurden.
- Spulwürmern, die in Bernstein eingeschlossen angeblich Millionen Jahre alt sein sollen – allerdings ist das umstritten.
- Pflanzensamen, z. B. der Lotussamen, die über 1000 Jahre alt sein können.
- Bakterien aus Salzkristallen oder aus dem Inneren von Gestein, die mehrere Millionen Jahre überdauert haben sollen.
Doch bei Algen wie Skeletonema marinoi ist das Erstaunliche: Sie sind mehrzellige eukaryotische Organismen – also komplexer als Bakterien. Und dennoch behalten sie ihre Lebensfähigkeit.
Wo finden Forscher solche Wesen?
Die Forscher*innen suchen gezielt in sogenannten anoxischen Sedimenten – dort, wo kein Sauerstoff durchdringt, etwa:
- Am Grund von tiefen Seen oder Meeren wie der Ostsee,
- In sumpfigen Mooren,
- Im ewigen Eis (Permafrost),
- Oder auch in Salzlagern, wo Wasser entzogen wurde.
In Kernbohrungen entnehmen sie Sedimentproben. Dabei zählt jede Schicht wie ein Jahresring im Baum: je tiefer, desto älter. Dann suchen sie nach sogenannten Ruhe- oder Dauerzellen, meist mit Mikroskop und Fluoreszenzverfahren.
Die Erweckung
Und dann kommt der magische Moment:
Man bringt diese uralten Proben in Laborkulturen – gibt ihnen Licht, Wärme, Nährstoffe, vielleicht etwas sanfte Strömung. Und wartet. Und tatsächlich: Unter den richtigen Bedingungen beginnen einige dieser winzigen Wesen sich wieder zu teilen. Sie leben. Nach Jahrtausenden des Schweigens.
Magie der Wissenschaft – oder Wissenschaft der Magie?
Was wie ein Kapitel aus einem Fantasy-Roman klingt, ist Realität. In den Sedimenten schlummern nicht nur Fossilien – sondern Leben. Tief unten, unter den Wellen der Ostsee, ruhen noch viele Geschichten. Und vielleicht, irgendwo in einer unscheinbaren Probe aus dunklem Schlamm, wartet schon der nächste Organismus, der aus der Zeit gefallen ist – und zurückkehren will.