Bruder Lawrence – Der stille Alchemist des Alltags
Ein Mönch, der keine Wunder tat, und gerade darin ein Wunder war. Entdecke bei UruGuru das stille Leben des Bruder Lawrence – ein Mönch, der keine Visionen hatte, sondern Kartoffeln schälte. Und darin Gott fand.
Das leise Glühen eines Lebens
Es gibt Biografien, die knistern vor Spektakel – mit Schlachten, Visionen, Wundern, Tragödien. Und dann gibt es die Geschichte von Bruder Lawrence, in der auf den ersten Blick nichts passiert. Ein Mann wird geboren, schält Kartoffeln, stirbt. Punkt.
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Doch wer genauer hinhört, spürt es: Da war Glut unter der Asche. Eine leise Glut, die brannte – Tag für Tag, durch Jahrzehnte hindurch. Kein Feuerwerk. Kein Blitz. Sondern ein gleichmäßiges inneres Licht, das stärker leuchtet als manches Donnerwetter der Geschichte.
Der Beginn: Ein Baum im Schnee
Bruder Lawrence – damals noch Nicolas Herman – war ein junger Soldat, als er eines Wintertages einen kahlen Baum betrachtete. Nur ein Baum. Keine Engel, kein Blitz. Aber in seinem Inneren geschah etwas.
„Ich betrachtete einen kahlen Baum im Winter, und sah ihn in Gedanken voll Blätter, Blumen und Früchte. Und mein Herz wurde voll von einer Gegenwart, die ich nicht benennen konnte.“
Es war kein theologischer Gedanke. Kein Konzept. Nur ein inneres Wissen: Etwas ist da, es lebt,es trägt, auch wenn alles kahl scheint.
Das war der Anfang seiner Umkehr – nicht zu einer Religion, sondern zu einer tiefen, stillen Verbindung mit dem Sein selbst.
Der Weg ins Kloster – und in die Küche
Nach einer Zeit in Kriegsdiensten und später als Bediensteter fand er seinen Weg ins Pariser Karmelitenkloster. Dort wurde er kein Priester, sondern einfacher Laienbruder. Man steckte ihn in die Küche – ausgerechnet dorthin, wo viele Mönche am liebsten nicht arbeiten wollten.
Doch genau hier begann Lawrence, seine spirituelle Revolution. Er machte die Küche zur Kapelle. Die Schöpfkelle zum Weihrauchfass. Den Abwasch zum Ritual.
„Wir sollten uns in allem, was wir tun, daran erinnern, dass Gott gegenwärtig ist – inmitten der Bratpfannen wie auch auf den Altären.“
Dieser Satz hat mich beim ersten Lesen fasziniert. Nicht weil er neu ist – sondern weil er in seiner Ehrlichkeit alles auf den Kopf stellt. Wer braucht noch Klöster, wenn man die Küche heiligt?
Die Praxis der Gegenwart Gottes
Das Herzstück seiner Lehre ist einfach – fast zu einfach für unseren verkopften Zeitgeist. Bruder Lawrence übte, sich bei allem, was er tat, an Gottes Gegenwart zu erinnern. Nicht mit erhobenen Händen oder gefalteten Augen. Sondern still, sanft, beharrlich.
„Ich wende mich innerlich zu Gott – ganz gleich, ob ich am Herd stehe oder vor dem Altar.“
Diese Praxis war kein Gefühl, kein Rausch. Oft war sie trocken. Eine Übung. Ein beständiges Zurückkommen.
Das ist das eigentlich Revolutionäre an Lawrence: Er entzaubert die Mystik und verzaubert den Alltag. Kein Träumen von fernen Lichtgestalten – sondern das Rühren in der Suppe, in Liebe.
Ein innerer Weg – ohne Tamtam
In den Briefen, die überliefert sind, spricht Bruder Lawrence offen über innere Dürre, Zweifel, Müdigkeit. Er war kein Heiliger mit Dauerfreude, er kannte die Leere – und hielt sie aus.
„Ich habe mich viele Jahre gequält, ehe ich lernte, Gott einfach zu lieben und bei ihm zu verweilen, auch wenn ich ihn nicht fühlte.“
Er lehrt uns damit etwas, das in unserer auf Leistung getrimmten Spiritualität oft fehlt: das Aushalten. Das Dasein ohne Belohnung. Eine radikale Treue zum Unsichtbaren.
Verwandte Seelen
Auch wenn Bruder Lawrence keine Visionärsfigur war, steht er in tiefer Verbindung mit anderen spirituellen Strömungen:
- Die Wüstenväter: frühe christliche Eremiten, die in der Stille der Wüste lebten – mit ganz ähnlichem Fokus auf die Gegenwart Gottes im Herzen.
- Zen-Buddhismus: das Tun um des Tuns willen. Der Tee wird nicht getrunken, um zur Erleuchtung zu gelangen. Das Teetrinken ist die Erleuchtung.
- Sufismus: besonders in der Linie von Rumi klingt etwas von dieser sanften, gottverliebten Wachheit an.
Lawrence aber war kein Wanderer zwischen den Welten. Er blieb verwurzelt in seinem Christsein – aber in einer Form, die universell anschlussfähig ist. Vielleicht, weil sie so untheoretisch ist.
Und was bleibt?
Bruder Lawrence starb 1691. Kein Denkmal wurde ihm gesetzt. Kein Orden nach ihm benannt. Aber sein schmaler Band, Die Praxis der Gegenwart Gottes, blieb. Und mit ihm ein Samenkorn, das seither in vielen Seelen aufging.
In einer Zeit, in der Menschen nach immer neuen Techniken, Retreats, Selbsterfahrungen suchen, wirkt Lawrence fast wie eine Provokation:
„Tue, was du tust – mit Liebe. Und denke an Gott dabei. Das genügt.“
Ein Satz, der dich nicht umhaut, sondern sich still einnistet. Wie ein Gebet, das sich heimlich in dein tägliches Tun schleicht.
Eine Einladung an dich
Wenn du diesen Text liest, bist du vielleicht gerade am Handy, am Laptop, zwischen Terminen, in Gedanken ganz woanders. Vielleicht denkst du: „Schön und gut, aber ich habe keinen Klosterhof. Ich habe Rechnungen.“
Dann hör kurz in dich hinein. Nicht auf fromme Gebote. Sondern auf das, was jetzt in dir ist. Atme. Spüre deinen Körper. Und frage dich:
Kann ich gerade da sein, wo ich bin?
Wenn ja – willkommen bei Bruder Lawrence.
Wenn nicht – noch besser. Dann kannst du anfangen zu üben. Nicht morgen sondern Jetzt. Beim Abspülen, Zuhören, Gehen….Ja sogar beim Zähneputzen
Noch ein letzter Gedanke
Bruder Lawrence hat nie verlangt, dass du etwas wirst. Er lädt dich nur ein, ganz zu sein, während du bist. Ganz beim Kaffee kochen, beim Schweigen, beim Leben.
Nicht, um etwas zu erreichen. Sondern, weil dieses Leben selbst schon Begegnung ist. Mit dem, was du Gott nennst. Oder Gegenwart. Oder Liebe.
Und vielleicht – nur vielleicht – bist du dann schon mittendrin im Mysterium.
Für dich zum Weitergehen
- Buch-Tipp: Die Praxis der Gegenwart Gottes, am besten in einer poetischen Übersetzung. Es lohnt sich, darin wie in einem Gebet zu blättern.
- Ritual für deinen Alltag: Wähle täglich eine banale Tätigkeit (Zähneputzen, Kehren, Kochen) und tue sie so, als wäre sie ein heiliger Ritus. Ohne Musik. Ohne Ziel. Nur du und das Tun.
- Wort für dein Herz: Einfachheit ist Tiefe.